Roland M. Dürre

Evolution – Innovation – Kommunikation

Intern

Entwirklichung

Letzte Woche gab es in Bayern 2 „Radiowissen“ eine Sendung über Tod und Trauer. Da habe ich den Begriff der Entwirklichung das erste Mal gehört.

Die Sendung hat berichtet, wie Tod und Trauer in unserer zeitgenössischen Zivilisation in Mitteleuropa „entwirklicht“ worden sind. Und beim Nachdenken ist mir bewusst geworden, dass die Entwirklichung in vielen Teilen unseres sozialen und gesellschaftlichen Leben stattfindet.

Bei Unternehmen und Universitäten wie allgemein in der Wirtschaft nehmen Vorschriften immer mehr einen formalen und prozessoralen Art Charakter an. Zu oft bewirken sie das Gegenteil des eigentlich Gewollten. So wird Handlungsfähigkeit und Eigenverantwortlichkeit reduziert. Denn die Handlungen folgen nicht mehr dem zu erreichenden Ziel sondern orientieren sich an systemischen Regeln, die von Systemagenten generiert und kontrolliert werden. Und das Ergebnis ist eine oft völlig entwirklichte Wirtschafts- und Arbeitswelt.

In der Politik und anderen sozialen Systemen gibt es nicht weniger groteske Entwicklungen. Die wirkliche Welt spielt keine Rolle mehr. An die Stelle der wirklichen Bedrohungen werden virtuelle Bedrohungen geschaffen. Und Missstände bzw. Handlungsunfähigkeit unwirklich kompliziert gerechtfertigt.

Und auch im täglichen Leben hält Entwirklichung Einzug. Zum Essen gibt es „convenient“ Produkte wie die Suppe aus dem Plastikbecher. Frischmilch ist unverständlich lange haltbar gemacht und Fleisch scheint nicht mehr von Tieren zu stammen. So entfernen wir uns auch körperlich aus der Naturwelt und flüchten in eine Kulturwelt, die sich immer mehr zu einer „künstlichen“ entwickelt.

Und sogar die Emotionen werden uns vom Fernseher aus zweiter Hand ins Haus geliefert.