Roland M. Dürre

Evolution – Innovation – Kommunikation

Intern

Kaffee

Kaffee war für uns schon in der frühen Jugend ein ideologisches Getränk. Er kam aus weiter Ferne und weckte Phantasien. In Augsburg war der Königsplatz der Nabel unserer Schülerwelt. Gleich daneben in der Annastrasse waren die Kaffeehöhlen: Tchibo und Eduscho,“face-to-face“. Das war in etwa so wie heute mit Aldi und Lidl. Die Intellektuellen gingen zum Tchibo, die noch intellektuelleren zum Eduscho (oder anders herum). Eine kleine Tasse des starken, bitteren Kaffees kostete 20 Pfennige (das war das Pfand eine Bierflasche). Uns als intellektuelle Revolutionäre und Protagonisten der Zukunft war die Bitterkeit die zwanzig Pfennige wert. Und die hatten wir meistens. Wenn nicht, dann hatten wir einen Kumpel, der uns einlud.

Mit der Tasse in der Hand ging man an einen Bistrotisch. Ging? Es gab in der ganzen Stadt keine größere Menschendichte als bei Tchibo und Eduscho. Man zwängte sich durch die Menge und kämpfte um einen freien Platz an einem der wenigen Bistrotische. Wenn möglich stellte man die Tasse ab und zündete sich eine Reval an. Es gab in der ganzen Stadt keine höhere „Qualmdichte“ als beim Tchibo und Eduscho. Dann genoss man den Kaffee in kleinen Schlucken und die Zigarette in vollen Zügen, und sprach über die Lehrer, die Mädchen, Gott und die Welt. Mit revolutionärer Disziplin brachte man die leere Tasse brav durch die Menge zurück ins Regal für das schmutzige Geschirr. So war das ungefähr von 1964 bis 1968.

Heute kaufen wir beim Supremo in Unterhaching die handgeröstete Bohne und bereiten im Siebdruckverfahren mit der Saecco unseren Capuccino oder Espresso zu. Am Sonntag gibt es dann die handgemahlene Auslese – fachmännisch im Kaffeestempel mit der 3-Minuten-Sanduhr zubereitet. So ändern sich auch die Kaffee-Zeiten.