Roland M. Dürre

Evolution – Innovation – Kommunikation

Intern

Abtreibung

In der Gesellschaft ist Abtreibung ein Tabu, über das man nicht gerne spricht. Ab und zu wird eine Statistik mit der Anzahl von Abtreibungen veröffentlicht. Dann wieder wird das Thema von einem Bischof im Zusammenhang mit dem Holocaust erwähnt.

Viele Frauen sagen: „Ich würde nie abtreiben“. Und wenn sie in eine echte oder vermeintliche Notlage verursacht durch eine unerwünschte Schwangerschaft geraten, dann sehen sie keinen Ausweg mehr. Männer fordern ultimativ von Frauen, die sie geschwängert haben und die das Kind vielleicht auch ganz gerne bekommen würden, dass sie es abtreiben müssen. Elend, Bedrohung, Scheinmoral, alles ist eng beieinander.

Wenn es um Abtreibung geht, habe ich ein großes Unbehagen. Im Gegensatz zur Todesstrafe, bei der ich eine ganz eindeutige Bewertung habe (Abschaffen!), weiß ich da nicht, was richtig, was falsch ist. Immer wenn ich in meinem Umfeld von einer Abtreibung höre, werde ich traurig. Die Gründe dafür sind meistens einleuchtend, die „Maßnahme“ scheint ethisch in Ordnung. Ich denke dann immer, wie die Alternative ausgesehen hätte. Ein Kind und dann vielleicht doch eine glückliche Mutter mehr in meiner Umgebung?

Dass eine Frau sich bei einer unerwarteten Schwangerschaft einer feindlichen Umwelt ausgeliefert fühlt, eine Bedrohung ihrer Existenz wahrnimmt und in Panik geraten kann, ist klar. Die Variante, das Kind zur Welt zu bringen, kann ja vielleicht Jahrzehnte später im Rückblick ganz positiv sein. Das hilft aber niemanden, für den gerade die Welt zusammenbricht (oder auch nur zusammenzubrechen scheint).

Wie ich jung war (Mitte der 60iger), gab es einen strengen Paragraphen 218. Die Frauen mussten zum Abtreiben nach England oder Jugoslawien fahren. Viele Frauen haben sich damals in Zeitungen und Magazinen bekannt, dass sie abgetrieben haben. Andere haben für das Recht auf Abtreibung demonstriert. Das Motto war: „Mein Bauch gehört mir“. Ganz geglückt fand ich dieses Motto übrigens schon damals nicht.

Bei der Reform des Paragraphen 218 hat das Parlament das Thema sehr ernst genommen. Es wurde eine weise Lösung gefunden: Abtreibung als Unrecht blieb verboten, aber nicht unter Strafe gestellt. Die Auflage eines verpflichtendes Beratungsgesprächs dürfte zumutbar und hilfreich sein. Bei der entscheidenden Abstimmung gab es damals übrigens keinen Fraktionszwang, das ist nach meinem Wissen ziemlich einzigartig.

Ein Grauen aber ist mir die ambulante Abtreibungsklinik, die ihre Dienstleistung  als Teil der „Medizinindustrie“ im Internet anbietet und dann ihre Kunden in einer Praxis mit modernden Designer-Möbeln bei entspannender Musik empfängt.

Wahrscheinlich kann ein Mann sich in das Thema Abtreibung eh nicht reinfühlen. Aber es nur den Frauen zu überlassen, könnte heißen, sich davor zu drücken.