Roland M. Dürre

Evolution – Innovation – Kommunikation

Intern

Zielvereinbarung

Zielvereinbarungen als Gehaltsbestandteil eines Anstellungsvertrages sind groß in Mode. Die meisten Personalabteilungen schwören darauf, in der Industrie sind sie zum Standard gewoden.

Hier die drei wichtigsten Varianten der Entlohnung:

Beamte

Beamte haben ein eigenes, eher feudalistisches Besoldungssystem. Die Idee des Beamtentums war es, Menschen in besonderer Art und Weise für das Gemeinwesen zu verpflichten, sie deshalb wirtschaftlich unabhängig zu machen und sie in besonderer Solidarität zu versorgen. Das hat zu einigen Nebeneffekten – wie der Forderung nach Privatisierung von Infrastrukturdiensten – geführt. Inwieweit der aktuelle Versuch, in Beamtengehälter leistungsbezogene Komponenenten zu integrieren, sinnvoll gelingt, kann ich nicht beurteilen.

Fest oder befristet angestellte Mitarbeiter

Das sind die “normalen” Arbeitsverhältnisse. In Deutschland sind sie besonders stark reguliert – nach meinem Empfinden überreguliert. Mit dieser nicht immer einfachen Situation müssen die Unternehmen leben. Ein Problem ist, dass der “Arbeitgeber” ganz einfach und beliebig Gehälter erhöhen kann (und muss), dass Gehaltssenkungen aber so gut wie unmöglich sind. Anstellungsverträge sind in vielen Punkten asymmetrisch, siehe z.B. den Kündigungsschutz. Festangestellte Mitarbeiter haben häufig Zielvereinbarungen.

Freiberufler

Freie Mitarbeiterverträge unterliegen den Regeln des Marktes. Die Preise werden von Angebot und Nachfrage bestimmt, persönliches Geschick und Durchsetzungsfähigkeit spielen eine Rolle. Sie sind durch das AÜG (Gesetz zur gewerbsmäßigen Überlassung von Arbeitnehmern) eingeschränkt. Die aktuell starke Zunahme von freiberuflichen Verträgen empfinde ich wie einen “neo-liberalen” Dammbruch am Arbeitsmarkt. Gelegentlich müssen Freiberufler Werksverträge akzeptieren. Zielvereinbarungen für Freiberufler sind die Ausnahme.

Arbeitgeber und Arbeitnehmer schätzen Zielvereinbarungen aus unterschiedlichen Gründen.

Arbeitgeber:

Unternehmen möchten gerne einen Teil der Gehaltssumme variabel gestalten. Das ist verständlich. Und da sind Zielvereinbarungen, wie auch Erfolgsbeteiligungen, ein geeignetes Mittel.

Die Theorie: Wenn alle Mitarbeiter ihre Ziele erfüllen, dann sollte es ja auch dem Unternehmen gut gehen und eine höhere Gehaltssumme verkraftbar sein. Und wenn keiner sein Ziel erreicht wird es dem Unternehmen eher nicht so gut gehen und dann ist es gut, wenn man weniger Personalkosten hat. Die Frage ist natürlich, ob es wirklich so einfach ist, wie es scheint. Es ist durchaus denkbar, dass die individuellen Ziele erreicht werden, es dem Unternehmensgesamt aber trotzdem schlecht geht.

Das Management will Zielvereinbarungen auch nutzen, um das Unternehmen besser steuern zu können. Hier ein paar Beispiele (und was dann passieren kann):

Der Kaufmann im Einkauf bekommt als Ziel, die Stundensätze für externe Leistungen um 10 % zu senken.
Folge: Die Qualifikation der externen Leistung sinkt.

Die kaufmännische Leitung bekommt die Vorgabe, einen definierten Anteil der Leistungen “offshore” einzukaufen.
Folge: Projekte geraten außer Termin und Kosten, weil der zusätzliche Transaktionsaufwand von Offshore-Entwicklung ignoriert wird.

Der Vertrieb wird auf Umsatz getrimmt.
Folge: Der Vertrieb verkauft zuviel und zu günstig – das “Delivery” kann die Termine nicht mehr halten, in den Projekten wird draufgezahlt.

Der Vertrieb wird auf Marge getrimmt.
Folge: Es gibt zu wenig Projekte, das Unternehmen muss entlassen.

Mitarbeiter in der Leistungserbringung werden auf Termintreue ausgerichtet.
Folge: Die Qualität sinkt.

Mitarbeiter in der Leistungserbringung werden auf Qualität ausgerichtet.
Folge: Die Termintreue sinkt.

Berater werden auf eine hohe Kontierungsquote “gegoalt”.
Folge: Berater haben keine Lust, Tage für die Einarbeitung junger Kollegen aufzuwenden.

Mag sein, dass diese Beispiele scherenschnittartig sind. Nur sind solche Fälle mit den entsprechenden Folgen in der Praxis zahlreich zu beobachten. Glücklicherweise gibt es viele Mitarbeiter, die bereit sind, zum Wohle des Unternehmens ihre Zielvorgabe zu ignorieren (und damit ihrem eigenen Geldbeutel zu schaden). Denn die Mitarbeiter sind oft klüger als Ihre Chefs (so wie die Menschen von der Straße die Lage meistens realistischer einschätzen als die Politiker). Sie wissen, dass die täglich zu lösenden Probleme mehrere Dimensionen haben – und man nicht einer oft nur eindimensionalen Zielvorgabe folgen darf, wenn man das Beste für das Unternehmen erreichen will.

Arbeitnehmer:

Vertreter von Arbeitnehmern erwarten von Zielvereinbarungen ein höheres Maß an Objektivität bei er Bewertung der individuell erbrachten Leistungen und damit mehr Gerechtigkeit. Deshalb machen gerade den Gewerkschaften nahe stehende Institute kräftig Werbung für Zielvereinbarungen. Und halten auch Kurse dazu! Ich selbst habe an einem solchen teilgenommen.

Dort lernt man dann:

STARKe Ziele brauchen Mitarbeiter und Unternehmen.

Das Wort “stark” ist eine Eselsbrücke – die Buchstaben stehen für:

* S = Schriftlich
* T = Terminiert
* A = Attraktiv
* R = Realistisch
* K = Konkret

Klingt theoretisch gut und ich bin auch darauf angesprungen. Die Erfahrung der Praxis hat aber gezeigt, dass das Leben und unsere Projekte zu kompliziert sind, um so einfach und nebenwirkungsfrei Ziele festlegen zu können.

Die Theorie der Zielvereinbarungen geht von der Annahme aus, dass die Motivation und das Engagement eines Menschen wesentlich durch materielle Belohnung beeinflusst werden kann. Diese Annahme entspricht nicht meinem Menschenbild. Die Gefahr ist groß, dass Menschen so ausschließlich als Mittel zum Zweck betrachtet werden, dies ist eine Missachtung der Menschenwürde.

Menschen sind autonome Wesen, die in eigener Verantwortung und gestützt durch intrensische Motivation Herausforderungen annehmen. Aus Stolz auf ihr Können und in gesunder Identifikation mit ihrem Unternehmen machen sie einen guten Job. Und ist die Zusage, dass der erwirtschaftete Gewinn angemessen geteilt wird, nicht die beste Zielvereinbarung?!

Auszug aus einem Vortrag, den ich Anfang 2008 als Keynote gehalten habe.