Roland M. Dürre

Evolution – Innovation – Kommunikation

Intern

Tabak

Früh, viel zu früh habe ich mit dem Rauchen angefangen, eher mit 14 als mit 16. Wir wollten endlich erwachsen und frei sein. Die Amerikaner haben uns die Freiheit und die Zigarette gebracht. Tabak war das Symbol für Genuss, Wohlstand und Freiheit. Und später Marlboro für den wilden Westen.

Die Eltern haben uns wegen Rauchens bestraft. Wenn ich nach Rauch roch, wurde ich einer strengen Befragung unterzogen. In den Ohren klingt es mir immer noch: „Wer raucht, hat zu viel Geld“! Eine Folge war der Entzug des Taschengelds.

Wir haben weiter geraucht. In der Schule für das Raucherzimmer gekämpft. Wer „in“ und von gesellschaftlicher Wichtigkeit sein wollte, rauchte. Die Mädchen wollten nicht mehr brav sein und haben angefangen zu rauchen. Und wenn sie dann auf offener Strasse geraucht haben (das war für eine Frau höchst unschicklich), wurden sie von ihren Müttern als „Nutte“ beschimpft. Dann haben sie erst recht geraucht. Filterraucher (Ernte, HB, Stuyvesant, Astor …) galten als Weicheier. Reval, Roth-Händle oder Gauloises waren OK. Snobs griffen zu den Gitanes (am besten mit „papier mais“) oder zur Finas aus Ägypten. Oder zur Bali aus dem Saarland, der einzigen Zigarette damals mit Tabak nur aus Deutschland. Gelegentlich gab es auch Zigarillos, eine Zigarre oder eine Villiger Kiel mit gelbem Mundstück aus Plastik.

Mit 30 Jahren habe ich das Rauchen aufgehört. Mehrere Male, bis ich es geschafft hatte. Das war schwierig, denn Rauchen ist nicht nur eine physische Sucht, die nach ein paar Wochen vergeht. Die Psyche mag auch nicht aufhören! Zigaretten sind Teil der Körpersprache. Ohne Zigarette, das war als ob ein Teil von einem selbst gefehlt hätte. Den Frust kann man auch nicht mehr durch genüssliches Ausdrücken der Zigarette im Aschenbecher bekämpfen. Und alle Sorgen nicht mehr mit der Kippe in den Gully werfen.

Das hat sich alles geändert. Wenn ich heute Menschen rauchen sehe, schmerzt es mich. Ich erkenne Menschen, die viele Jahre geraucht haben, an Ihrer Haut, ihrer Figur und ihrem Gesicht. Mir graut vor gelben Nikotinfingern und vollen Aschenbechern. Die Ausdünstung eines Menschen nach kaltem Rauch ist mir unangenehm, das ist in kommunikativen Situation nicht immer einfach. Wenn mir Tabakrauch ins Gesicht weht, dann bekomme ich gelegentlich ein Würgen und mir versagt die Stimme. Sogar ins Podium nach Schwabing gehe ich nicht mehr, weil da in beiden Flügeln geraucht wird. Und ich sehe Menschen, die vor Bürohäusern im Freien oder in den gelben Karrees auf den Bahnhöfen stehen und an Zigaretten ziehen. Das macht mich betroffen.

In den siebziger Jahren hat die Tabakindustrie festgestellt, dass der Anteil der Raucher bei den Männern auch mit noch so viel Marketing nicht mehr erhöht werden konnte. Man konnte nur noch Marktanteile bei der Konkurrenz abholen. Das hat nicht immer geklappt. Im Gegenteil, die Marke West hat mit ihrer ersten Kampagne „GO WEST“ den Verkauf des Konkurrenten Marlboro zu Kosten des eigenen Anteils. Die Tabak-Managern aber haben in ihrer Wachstums-Not die Frau entdeckt. Weit weniger als 10 % der Frauen haben früher geraucht. Man kreierte die Zigarette für die Frau (zierlich, lang und dünn, bunt und sehr feminin) und richtete die Marketing-Kanone auf die Frauen. Mit Erfolg – heute rauchen annähernd gleich viel Frauen wie Männer.

Wenn ich gefragt werde, auf was in meinem Leben ich besonders stolz, fällt mir spontan immer ein: Dass ich es geschafft habe, mit dem Rauchen aufzuhören.